Zunderschwamm

Fomes fomentarius, Polyporaceae

von Stefanie Goldscheider

Ötzi's Reise-Set und ...

Zunderschwamm als Saprobiont an Totholz

Einer der auffälligsten Pilze überhaupt ist der einheimische und auch weltweit verbreitete Zunderschwamm. Er hatte für lange Generationen unserer Vorfahren eine immense Bedeutung. Das beweisen Funde aus Siedlungen der Steinzeit, die man 10 000 Jahre zurückdatieren kann. Damals, vor der Erfindung von Gasfeuerzeug oder Streichholz, war das Anzünden von Feuer eine äußerst wichtige und schwierige Aufgabe. Eine Anwendung des Zunderschwamms, die mit Hilfe von Zunder [1] möglich war. Solchen Zunder aus dem Zunderschwamm hatte vor 5000 Jahren Ötzi in den Ötztaler Alpen dabei. Der wissenschaftliche Gattungsname Fomes ist lateinisch für Zunder oder Zündstoff.

... Hausapotheke seit der Steinzeit

Zunderschwamm

Der Zunderschwamm ist aber auch ein altbewährter Heilpilz und als solcher in Arzneibüchern beschrieben, in Deutschland und weltweit. Die erste Erwähung fand er schon bei Hippokrates. Mit Zunderschwamm heilte man Wunden. Als Wundauflage oder zum Stillen von Blutungen wurde im Prinzip das gleiche Produkt verwendet wie zum Entfachen von Feuer, denn es handelt sich beim Zunder um lockere, saugfähige und hygienische Lappen. Zunderlappen bieten genauso wie das Pulver aus dem Pilz Schutz vor Infektionen. Das liegt an den besondern antimikrobiellen Inhaltsstoffen. Die Anwendungsgebiete für die äußerliche Anwendung des Zunderschwamms sind somit allgemein die Behandlung von Haut und Wunden. Der wissenschaftliche Artname fomentarius kommt von lateinisch "fomentum" für Verband.

Steckbrief Zunderschwamm

Vorkommen und Merkmale:

Fomes fomentarius an stehendem Holz Das natürliche Verbreitungsgebiet des Zunderschwamms Fomes fomentarius aus der Familie der Polyporaceae ist sehr groß und umfasst die gesamte nördliche Hemisphäre. Dieser harte, ausdauernde Porling wächst an absterbenden Laubbäumen und zwar vor allem an Buchen aber auch an Birken, Pappeln, Eichen und Ulmen. Zunächst tut er das als Schwächeparasit und dringt in Wunden von geschwächten Bäumen ein. Später wächst er am Totholz auch jahrelang als Destruent. Weil kranke und tote Bäume in Forsten aber sofort ausgeräumt werden, sieht man eher die ein- oder zweijährigen Baumpilze am lebenden Baum (Bild rechts).
Die junge Pilzschicht ist außen noch braun-rot und farbig gebändert (Bild oben). In der Wachstumspause im Winter wird die harte Kruste einheitlich grau. Der junge Zuwachs im nächsten Jahr ist dann wieder farbig. So können Zunderschwämme sehr groß werden und bis zu 30 Jahre alt! Je nach Witterung wachsen Zunderschwämme weiter, bilden jedes Jahr eine neue Schicht nach unten und werden auf diese Weise balkon- oder konsolenförmig immer höher (Bild rechts unten). Fomes fomentarius konsolenförmig gewachsenBemerkenswert ist, was bei jedem Pilz und auch bei höheren Pflanzen gilt, bei mehrjährigen Baumpilzen aber deutlich aufälliger ist: sie passen ihre Wuchsrichtung jederzeit der Gravitation an. Man spricht von Gravitropismus [3]. Im Fall des Zunderschwammes geht das Wachstum Richtung Boden. Die Neubildung der Konsolen, nachdem der Baum zunächst steht und dann umfällt, erzeugt groteske Pilzgebilde. Innen ist der Zunderschwamm holzig, faserig, hart und braun, ganz ähnlich wie der Chaga.

Verwendung:

Der Zunderschwamm diente traditionell vor allem zur Erzeugung von Zunder und medizinisch zur Herstellung von Wundauflagen. Beide Eigenschaften vereinend wurden Stückchen für Hitzereize (Moxibustion [4]) gegen Rheuma und Arthrose genutzt. Auch innerliche Anwendungen in Form von Abkochungen beziehungsweise Tee hatten in vielen Arzneibüchern diverse Indikationen. Aufgrund außergewöhnlicher Inhaltstoffe des Zunderschwamms werden weitere Anwendungen erforscht. Verschiedene Substanzen aus dem Pilz sind in der Entwicklung zu Kosmetikartikeln, Medizin- und Diätprodukten. Im Fokus stehen Hauterkrankungen, Diabetes und Krebs sowie weitere Indikationen aufgrund der antiseptischen Eigenschaften dieses Naturproduktes. Der frische oder getrocknete Pilz ist weder Speise- noch Würzpilz. Aufgrund seiner gesundheitlichen Vorteile kann er in Form von Pilzpulver, Teeauszügen und Abkochungen sehr leicht eingenommen werden. Zunderschwamm kann auch zum Färben von Wolle und Seide verwendet werden.

Inhaltsstoffe:

Der Pilz besteht zu 70 % aus den medizinisch sehr bedeutsamen komplexen Polysacchariden, 50 % vom Typ der β-Glucane. Zu diesem Polysaccharid-Komplex gehört auch das den Pilz rostbraun färbende Melanin [5] mit einem Anteil von 20 %. Für Pilze beziehungsweise deren Zellwände typisch ist das Chitin [6], doch Fomes fomentarius enthält davon mit 10 % besonders viel. Es finden sich zahlreiche Sterole und Terpen und das Fomentariol, das als Wirkstoff gegen Diabetes getestet wird.

Behandlung und Pflege von Haut und Wunden

Ein ganzer Lebensraum mit Zunderschwamm

Die traditionell wichtigsten Anwendungen des Zunderschwamms haben mit seinen starken antiseptischen und sehr stark antimikrobiellen sowie geruchsbindenen Inhaltstoffen zu tun und diese wohl mit dem hohen Melaningehalt. Selbst Krankenhauskeime und Herpesviren sowie Candida-Infektionen werden in Schach gehalten. Dazu kommt die Saugfähigkeit beziehungsweise Absorbtionsfähigkeit des Pilzpulvers, die auf dem hohen Chitingehalt beruht. Das alles ist noch recht wenig im Detail erforscht. Besser erforscht ist die antioxidative und tumor-hemmende sowie die immun-stimulierende Wirkung der beta-Glucane. Aus diesen Eigenschaften ergeben sich viele Indikationen zur äußerlichen Verwendung. Das Pulver kann als sterile, natürlich abbaubare Auflage zur Wundversorung auch gegen Wundliegen verwendet werden. Auf diese Weise können Dekubitus, Ekzeme, Hämorroiden, Pilzinfektionen und Irritationen der Haut gut heilen. Die Einarbeitung in Hygieneartikel und Kosmetika zur Hautpflege sind weitere äußerliche Anwendungen.

Antioxidativ auch innerlich

Zunderschwamm-Pulver

Was bei der Anwendung auf der Haut zu schnellem Wundverschluss beiträgt kann bei einem vollkommen ungiftigen und ungefährlichen Produkt auch innerlich verabreicht werden. Traditionell wurde der Zunderschwamm gegen Magenkrankheiten, Lungenentzündung, Blasenentzündung und Krebserkrankungen wie Speiseröhenkrebs, Magenkrebs und Gebärmutterkrebs eingenommen. Erforscht werden heute weitere Wirkungen auf Krebszellen und Tumore. Diese beruhen auf der Kombination der hohen Gehalte an β-Glucanen plus den zahlreichen weiteren antioxidativen Bestandteilen.


Autorin: Stefanie Goldscheider


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Anhang

[1] Als Zunder bezeichnet man eine durch Funken leicht entflammbare Substanz. Genau gesagt ist das der Sinn des Zunders, Funken aufzufangen und sofort anzufangen zu brennen. Zunder konnte eingepackt und mitgenommen werden, anders als Glut. Er konnte auch unterwegs und unabhängig vom Blitzeinschlag zum Feuer machen benutzt werden. Zunder aus dem Zunderschwamm ist ein leichter, handlicher Lappen. Gewonnen wurde Zunder über Jahrtausende aus dem Zunderschwamm und verwandten Pilzen beziehungsweise Porlingen. Bei der Gewinnung des Zunders aus dem Pilzkörper, dem Schwamm, entsteht eine Art Vlies. Es sind die Fasern des harten, unförmigen Pilzes, die auf hochkomplizierte Weise durch Einweichen und Dämpfen sowie Ausklopfen frei gelegt und dann gewalkt werden. Ganze Regionen mit alten Wäldern und eine Handwerkerzunft lebte noch bis ins 19. Jahrhundert von der Zunderproduktion. WeißfäuleAuch das durch den Zunderschwamm - einer Weißfäule - zersetzte Holz eignet sich zum Anfachen des Feuers.

[2] Weißfäule nennt man die Zersetzung eines Baumes durch bestimmte Pilze. Weißfäule-Erreger sind die auffälligsten Zersetzter in der Natur. Sie machen hartes, schweres Holz weiß, weich und sehr leicht (Bild rechts). Teilweise geschieht das noch bei stehenden Bäumen und wird dann erst durch deren Zusammenbrechen sichtbar. Der Pilz verdaut die harte Stützsubstanz im Holz, das Lignin.

Gravitropismus

[3] Gravitropismus oder auch Geotropismus ist die Wachstumdreaktion von höheren Pflanzen und Pilzen auf die Erdanziehungskraft. Beim Zunderschwamm und Pflanzenwurzeln spricht man von positivem Gravitropismus, denn der Pilz und die Pfanzenwurzel wachsen senkrecht nach unten, hin zum Erdmittelpunkt (Bild rechts: Neuzuwachs des Zunderschwamms nach unten). Baumstämme und Pflanzentriebe wachsen weg vom Erdmittelpunkt, immer senkrecht nach oben.

[4] Moxibustion ist ein auch als Moxa-Therapie bezeichnetes Verfahren aus der traditionellen chinesischen Medizin (TCM). Bei dieser Variante der Akkupunktur werden ebenfalls Reizpunkte gesetzt und zwar Hitzereize. Dafür gibt es neben Moxa-Nadeln auch Moxa-Zigarren und Moxa-Pflaster. Für Moxa-Pflaster können die glimmenden Zunderschwamm-Stückchen direkt auf die Haut gelegt werden und so bei Arthrose und Rheuma helfen.

[5] Melanine sind braune und schwarze Pigmente, die in der Haut gebildet werden und die Braun- und Schwarztöne von Haut, Augen, Haaren, Federn, Schuppen, Panzern von Krebstieren sowie die Färbung der Tinte der Tintenfische und der Kaviar-Fischeier ausmachen. Melanine dienen dem Organismus als Sonnenschutz also als Schutz vor der Schädigung durch UV-Strahlung. Die Melaninproduktion in Organismen wird durch Strahlung angeregt.

[6] Chitin wurde früher als Pilz-Zellulose bezeichnet, denn anders als Pflanzen enthalten Pilze Chitin als Gerüstsubstanz und keine Zellulose. Chitin ist aber auch die Stützsubstanz von Gleiderfüßern, Weichtieren, Flechten, Würmern und Bakterien. Für Menschen ist Chitin, wie auch Zellulose unverdaulich, also ein Ballaststoff. Beide Substanzen sind reaktionsträge und nicht leicht löslich.



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Quellen und Literatur zu Fomes fomentarius und Heilpilzen

- Heilende Pilze, Jürgen Guthmann, Quelle & Meyer 2016

- Taschenlexikon der Pilze Deutschlands
- Die Großpilze Baden-Württembergs

- Mycelium running. How mushrooms can help save the world. Paul Stamets, 2005, Ten Speed Press

- Growing Gourmet and Medicinal Mushrooms, Paul Stamets, 3rd ed. 2000, Ten Speed Press