Die Grüne Revolution - Kuba, ein nationales Bio-Projekt

von Stefanie Goldscheider

Der Zusammenbruch der Sowjetunion und der darauf folgende, beziehungsweise sichtbar werdende Zusammenbruch der Ökonomien der Staaten des Warschauer Paktes, zeigte deutlich die bessere Infrastruktur, den höheren Lebensstandard und die größeren Konsummöglichkeiten der Menschen in den westlichen Industriestaaten. In Kuba wurde die Ernährungssituation ab 1989 besonders schwierig, da man durch den totalen Handelsboykott der USA auch keine Lebensmittel mehr importieren konnte. Vergleicht man Kuba allerdings mit anderen ehemaligen Kolonialstaaten oder anderen Ländern in Lateinamerika, so ergibt sich trotzdem eine positive Bilanz. In keinem anderen lateinamerikanischen Land sind Gesundheitswesen, Bildungsystem und Kulturförderung so erfolgreich wie in Kuba.

Sozialistische Revolution und amerikanische Wirtschaftsblockade

Durch den Zerfall der Sowjetunion, 30 Jahre nach der kubanischen sozialistischen Revolution, wurde Kuba zu neuen Wegen gezwungen. Kuba, welches über 80 % seines Außenhandels mit Staaten des ehemaligen Ostblocks betrieben hatte und durch das immer noch allumfassende amerikanische Handelsembargo bis heute von Importen aus der westlichen Welt praktisch ausgeschlossen ist, sah sich 1989 mit einem jähen Schnitt in der eigenen Agrarproduktion und seinem Außenhandel konfrontiert.

Die von Castro erklärte "Ausnahmeperiode in Friedenszeiten" beinhaltete drastische Einbrüche in der Versorgung mit Lebensmitteln, vor allem mit Getreide, Bohnen, Fetten und Milchprodukten. Diese Nahrungsmittel waren allesamt importiert worden, bezahlt aus den hohen Erlösen des wie in Kolonialzeiten umfangreichen Zuckerexports. Doch der Einschnitt nach der Wende ging noch viel tiefer. Auch die Produktionsmittel wie Erdöl, Tierfutter, Düngemittel und Pflanzenschutzmittel konnten nach dem Wegfall der besonderen Handelsbeziehungen zur Sowjetunion nicht mehr importiert werden und standen de facto nicht mehr zur Verfügung.

Die grüne Revolution

Die zu Zeiten der Sowjetunion üblichen Produktionsmethoden auf höchstem Technisierungsniveau in riesigen Monokulturen, mit riesigen Inputs an Energie, Düngern, Pestiziden und Wasser, wie man sie sowohl aus freien Marktwirtschaften wie aus sozialistischen Staaten kannte, hatten schon Anfang der 80er Jahre unter Wissenschaftlern in Kuba Bedenken und Kritik ausgelöst. Die gefährliche wirtschaftliche Abhängigkeit und die verheerenden ökologischen Folgen waren bereits zu erkennen. Alternative Konzepte lagen also zumindest theoretisch bereit. Zum Glück, denn so konnte das Agrarland innerhalb weniger Jahre die schlimmste Versorgungskrise überwinden und seine Landwirtschaft umstellen. Kuba wurde zum größten Bioexperiment der Welt, zu einem Beispiel der engen Zusammenarbeit von Forschern, Landarbeitern und Verwaltung.

Treibstoff

Die riesigen Traktoren, die den tropischen Böden Verdichtung, Humusabbau und Erosion eingebracht hatten und teures Erdöl verbrauchten, das in den 90er Jahren nicht mehr zur Verfügung stand, wurden stillgelegt und durch bodenschonende Ochsengespanne ersetzt. Überall in Kuba sieht man heute Ochsengespanne bei der Bodenbearbeitung und Zugarbeit. Bei gleichzeitigem Fehlen der Tierfutterimporte führte dies dazu, daß Ochsen nicht mehr gemästet und geschlachtet werden können. Trotz großer Rinderherden gibt es also kaum noch Rindfleisch zu kaufen und zu essen.



Bild 2: Pflügen eines Zuckerrohrfeldes mit Ochsengespann © Henk van der Leeden

Düngemittel

Düngemittel mussten durch angepasste Fruchtfolgen mit Stickstoff-fixierenden Leguminosen oder Anbau in Mischkultur eingespart werden. Zudem werden in Cuba natürliche Bodenbakterien vermehrt und eingesetzt, die auch in Zuckerrohr die Bodenfruchtbarkeit erhöhen. Ein intensives Kompost- und Regenwurm-Humus-System zusammen mit dem Einsatz von Gründüngungspflanzen hat inzwischen stark geschädigte tropische Böden wieder produktiver gemacht.

Bild 3: Taro und Bohnen in Reihen-Mischkultur © s.goldscheider

Pflanzenschutz

Pestizide konnten dank intensiver, praxisnaher Agrarforschung in vielen Bereichen durch biologische Maßnahmen ersetzt werden. Man sucht und vermehrt seitdem gezielt Parasiten von Schadinsekten und setzt sie großflächig ein. Desgleichen wurden und werden auch Krankheiten von Parasiten und Gegenspieler verschiedener gefährlicher Pilzkrankheiten und Nematoden identifiziert, vermehrt und eingesetzt. Viele wirtschaftlich bedeutende Krankheiten der wichtigsten Produkte wie Zuckerrohr, Reis, Tabak, Süßkartoffel und Banane lassen sich so kontrollieren. Voraussetzung sind eine genaue Überwachung und die rechtzeitige, großflächige Ausbringung. Beides scheint in Kuba zu funktionieren und die entwickelten Technologien können bereits exportiert werden und in anderen tropischen Ländern

Handarbeit

Insgesamt erforderte die Umstellung einer hoch technisierten, großflächigen Landwirtschaft zu einer biologischen und kleiner strukturierten Wirtschaftsweise auch wesentlich mehr Handarbeit. Die freiwillige Landarbeit wurde eingeführt und seither gefördert. Arbeiter und Studenten können zwei Wochen oder zwei Jahre in der Landwirtschft arbeiten und bekommen mindestens den gleichen Lohn wie in ihrem eigentlichen Beruf. Die dauerhafte Ansiedlung auf dem Land zur Verhinderung der Landflucht in die Ballungszentren wird außerdem durch Wohn- und Freizeitangebote gefödert. Zur Versorgung der städtischen Bevölkerung mit Lebensmitteln und zur Verminderung von Transporten und Lagerhaltung wird landesweit, selbst in der Großstadt Havanna, die Anlage und Pflege von privaten oder kommunalen Hausgärten mit Obst und Gemüse und die Haltung von Hühnern und Schweinen unterstützt.

Bild 4: Gärten mit Nutzbäumen in einer Kleinstadt

Export und Marktchancen

Die kubanischen Forschungsergebnisse und Erfahrungen im biologischen Anbau haben inzwischen auch die Produktion von verschiedenen tropischen Obstarten, Zitrus, Kaffee und Kakao revolutioniert. Die kubanische Regierung hat eine Gesetzesvorlage für ökologischen Landbau erarbeitet und ist mit Unterstützung des renomierten Schweizer Forschungsinstituts für biologischen Landbau (FiBL) dabei, eine Bio-Kontrollstelle aufzubauen. Zielmarkt ist Europa. Man kann sich auf die rundum und im besten Sinne ganzheitlich biologisch produzierten Produkte nur freuen.

Buchtipp zur Ernährungssituation und Landwirtschft in Kuba:

The Greening of the Revolution - Cuba's experiment with organic agriculture, herausgegeben von Peter Rosset und Medea Benjamin, San Francisco.
Ocean Press, Melbourne 1994, 85 Seiten, zahlreiche Tabellen, Preis:€ 14,69

Der Bericht einer internationalen wissenschaftlichen Delegation und Expertenkomission, die Kuba Ende 1992 besuchte. Für Sozioökonomen, Agrar- und Ernährungswissenschftler sowie Ökologen ein sehr informatives, lesenswertes und brisantes Buch der Autoren aus San Francisco.
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Die Kuba-Küche von Alex Garcia
Umschau-Verlag, Neustadt/Weinstraße, 2005; 176 Seiten, Softcover, zahlreiche Farbfotos; € 16,90/sfr 27,80

Traditionelle und authetische Rezpete aus der Heimat des heutigen New Yorker Chefkochs und Autors diese Kochbuches.
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