Problematischer Staudammbau
Das türkische Staudammprojekt und seine Auswirkungen auf Umwelt und lokale Bevölkerung
von Beate FischerProjekt und Ziele


Umweltauswirkungen
Veränderungen der Landnutzung
Die Gebiete der Region werden traditionell in Regenfeldbau ohne Bewässerung sowie als extensives Weideland genutzt. Neben relativ intensiv wirtschaftenden Großgrundbesitzern gibt es noch einen nicht unbedeutenden Anteil von Kleinbauern in Subsistenzwirtschaft. Durch die Bewässerungsprojekte und die Vertreibung großer Teile der ansässigen traditionell wirtschaftenden Kleinbauern verschwinden auch relativ umweltschonende Landnutzungsformen mit hoher Vielfalt an Kulturen und Sorten. Große Flächen werden in intensivem Bewässerungsfeldbau mit Kulturen für den Export bestellt.
Großen Raum nimmt beispielsweise der Baumwollanbau ein. Durch diese Intensivierung steigt der Einsatz von Kunstdüngern und Pestiziden sowie schweren Landmaschinen. Die intensive Bewässerung birgt unter den ariden Verhältnissen eine große Gefahr der Bodenversalzung. Nach der "Spülung" der versalzten äcker erhöht sich der Salzgehalt in den Flüssen und Standgewässern. In den Ansammlungen von salzhaltigem Drainagewasser entstehen Salzsümpfe.
Auswirkungen auf die Flüsse und ihre Ökosysteme
Der Charakter der Flüsse wird durch die Stauseen grundlegend verändert. Nach Fertigstellung von GAP werden innerhalb der Türkei je etwa die Hälfte der ca. 750 km Fließstrecke des Euphrat und der ca. 325 km des Tigris in Standgewässer umgewandelt sein.

Die an das Fließgewässer angepaßten ökologischen Lebensgemeinschaften können in den Standgewässern nicht existieren. Die Dynamik der wechselnden Wasserstände in Winter und Sommer ist für lebensfähige Auen unabdingbar. Ihre Lebensgemeinschaften sind an die Überflutungen und Niedrigwasserstände des jeweiligen Flusses in ihren wesentlichen Zyklen wie Fortpflanzung, Vermehrung, Ruhephasen und Migration angepasst. Die saisonalen Überflutungen sorgen für die Ablagerung nährstoffreicher Sedimente, die Düngung der Aue, sie halten Altarme offen und füllen Feuchtgebiete sowie Standgewässer der Aue mit Wasser auf. Da in der Region natürliche Seen weitgehend fehlen, ist ein Einwandern neuer, an Standgewässer angepaßter Organismen wenig wahrscheinlich. Staudämme stellen Barrieren für wandernde Fließgewässerorganismen dar, somit werden jegliche Wanderungen von Fischarten unterbunden. Gleichzeitig verringert sich durch die niedrigere Fliessgeschwindigkeit das Selbstreinigungsvermögen der Flüsse.
Durch die Staudämme wird der Abtransport der bei Regenfällen auserodierenden Sedimente unterbunden. Die Stauseen entwickeln sich zu Sedimentfallen, die von diesem Material innerhalb weniger Jahrzehnte aufgefüllt werden. Unterhalb der Staudämme kommt es jedoch durch fehlenden Sedimentnachschub zu Erosion des Flussbettes und der Ufer.
Veränderungen des Umlandes
Durch die neuen grossen Wasserflächen verändert sich das lokale und regionale Klima. Die Stauseen wirken sich auf den Strahlungshaushalt, auf die Bewegung und den Wärmehaushalt der Luftmassen sowie auf Feuchtigkeit und Niederschläge aus.
Der Bau großer Stauseen ist in der seismisch aktiven, erdbebengefährdeten Region zwischen der anatolischen und arabischen Scholle besonders riskant.
Soziale Auswirkungen
Versalzung, Vernässung und Pestizideinsatz als Folgen der intensiven Bewässerungslandwirtschaft führen zu gesundheitlichen Risiken für die Bevölkerung. Trinkwasser und Luft werden belastet. Krankheitserreger z.B. von Malaria und Cholera können sich ausbreiten.
Das Projekt lockt auch Spekulanten in die Region, das Land wird von den Großgrundbesitzern an die Industrie verkauft. Viele historisch gewachsene Dörfer sind nach den Flutungen der Flusslandschaften verschwunden und die umgesiedelten Menschen gewöhnen sich nicht an die neuen Lebensbedingungen in den neu geschaffenen Umsiedlungsstädten. Einige finden Arbeit auf den Baumwollfeldern und den neu errichteten Textilfabriken, die meisten bleiben aber entwurzelt. Viele von ihnen flüchteten in die Slums der Großstädte wie Urfa oder Diyabakır.
Beispiele
Ilisu-Baraji (Hasankeyf) am Tigris
Der Ilisu-Staudamm soll ca. 65 km stromaufwärts der syrischen und irakischen Grenze nahe der Stadt Dargeçit mit einer Länge von 1820m und einer Höhe von 135m den Tigris aufstauen. Er würde dabei 15 Kleinstädte und 52 Dörfer überfluten. Es entstünde ein See mit einer Fläche von 313km² und einem maximalen Fassungsvermögen von 10,4 Mrd. m³ Wasser. Ziel des Projektes ist in erster Linie die Erzeugung von Elektroenergie.

Die Gefahr einer Verschmutzung durch Einleitungen aus den schnell wachsenden Großstädten Diyarbakir, Batman und Siirt (alle ohne Kläranlagen) ist außerordentlich hoch. Eine große Gefahr der Kontaminationen von Grund- und Oberflächenwasser stellt die Ölförderung um Batman dar.
Atatürk Stausee Harran Ebene
Auf der Harran-Ebene wurde bisher wegen sehr geringer Niederschlagsmengen Trockenfeldbau betrieben. Mit Verwirklichung des Staudammprojekts kamen neben Gerste und Weizen, Kichererbsen, Pistazien und Linsen nun auch Mais, Soja, Sesam und Obst als Anbauprodukte in Frage. Es wurden mindestens zwei Ernten pro Jahr möglich. Mit den steigenden Erträgen werden auch die Einkommen der Bauern steigen, allerdings auch die Kosten für Saatgutkredite, Teile des Bewässerungssystems, Maschinen und Pestizide.
Der Atatürk-Damm hat durch die Nutzung der Wasserenergie der ansässigen Industrie Vorteile gebracht. Aufgrund der niedrigen Umweltstandards der Zementwerke, Kupferbergwerke und Ölförderungsanlagen wird die wachsende Industrialisierung jedoch negative Einflüsse auf den Zustand von Boden, Grund- und Oberflächenwasser sowie Luft haben.
Birecik - Staudamm am Euphrat
An den Rändern des Birecik Staudamms sind noch Reste des antiken Ortes Zeugma zu sehen, insbesondere Mauerwerk der höher am Hügel gelegenen Häuser. Die ehemals prächtigen Villen, an den fruchtbaren Ufern des Euphrat gelegen, sind den Fluten zum Opfer gefallen. Die kostbaren Mosaiken und Fresken sind teilweise im Museum in Antep und teilweise unter den Händen von Plünderern ins Ausland verschoben worden.

Beate Fischer, Juristin
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