Es liegt nicht am Kohlendioxid allein!
Der Klimawandel und der Zustand unserer Landschaften
von Stefanie
Goldscheider, 2002
Niemand mehr wollte davon noch etwas hören
oder sehen. Doch was Naturschützer seit den 80er Jahren düster
prophezeien, nämlich
bevorstehende Hangrutschungen, Überschwemmungen und Naturkatastrophen
ungeahnten Ausmaßes, scheint auch im Herzen Europas Wirklichkeit
geworden zu sein. Man konnte sich nicht vorstellen, dass Bilder wie aus
Entwicklungsländern von meterhohen Fluten, von obdachlosen Menschen,
von verwüsteten Ernten auch bei uns Realität werden könnten.
Die Intensität der Niederschläge von bis zu 300 mm innerhalb
von 24 Stunden kennt man normalerweise nur in den Tropen (Bild links,
tropischer Flusslauf inmitten üppiger Vegetation nach Starkregen).
Dort steht oder stand flächendeckend Wald, der solche Wassermassen
in seiner dichten, vielstöckigen und artenreichen Vegetationsschicht,
an Blättern, in Luftwurzeln, in der mächtigen organischen Bodenbedeckung
aufnehmen kann. Die Folgen, die sich aus der Abholzung und
Brandrodung der Waldgebiete in den Tropen ergeben, sind ganz direkt die
starke und zerstörerische Erosion bei Regen und furchtbare Überschwemmungen.
Der Einfluss von Wald auf das regionale Klima und das Weltklima sind von globaler
Bedeutung hinsichtlich des Wasserhaushalts und der CO2
- Bilanz. Auch Mitteleuropa liegt in einer feuchten Klimazone,
auch hier regnet es normalerweise im Sommer mehr und stärker als
im Winter, auch hier ist klimatisch gesehen eine bewaldete Zone anzutreffen.
Der deutsche Wald

Auch
mitteleuropäische Naturwälder hatten weichen Waldboden, vollen
Bewuchs aus Farnen, Moosen, Pilzen und jungen Bäumen in mehreren
Stockwerken. An Ästen und Rinde der Bäume hingen mächtige
Flechten. Ein gigantischer Filter für die Luft. Es war einmal das
Waldsterben. Ein längst verdrängtes Politikum aus den 80er Jahren
ruft sich uns in Erinnerung. Schaurig anmutende Bilder von toten Wäldern
im Erzgebirge (rechts, Bild der GAF), in der damaligen DDR und CSSR, die
Bilder von abgestorbenen Bäumen in einstmals dicht bewaldeten Mittelgebirgen
wie dem Fichtelgebirge, dem Harz, dem Schwarzwald und Bayrischen Wald
haben damals geschockt. Die immer schütterer werdenden Kronen der
Baumriesen und die toten verbleibenden Holzgerippe waren täglich
in den Medien zu sehen.
Da waren andererseits die immerrauchenden Schornsteine der Schwerindustrie,
die Abgase von Kraftverkehr ohne Katalysator, schlechten Heizungen
und Gülle- oder Stickstoffausbringung in der Landwirtschaft. Das
alles liegt scheinbar längst hinter uns, und doch ist der Zustand
unserer Wälder immer nur noch schlechter geworden. Man spricht in diesem Zusammenhang von neuartigen Waldschäden. Heute überwiegen
bei den Abgasen neben dem für den Klimawandel verantwortlichen
CO2 das für Mensch und Pflanze schädliche Ozon, Stickoxide und
Kohlenwasserstoffe. Hinzu kommt, dass die Böden vieler Wälder
nachhaltig versauert und durch Übernutzung ausgelaugt sind. Im
Erzgebirge ist der Kampf um die Wiederaufforstung nicht gewonnen worden
(links, Bild der GAF). Und auch andernorts wollen die Bäume einfach
nicht mehr richtig wachsen. Sie werden von Schädlingen und Krankheiten
heimgesucht, ihre Feinwurzeln sterben ab, so dass sie permanent unter
Nährstoff- und Wassermangel leiden. Sie sind stressgeplagt, nicht
mehr stabil in harten Wintern oder Dürreperioden und eine leichte
Beute von Stürmen.
Wälder und Wasser
Der Beitrag der Wälder zum Klimaschutz und zu einer ausgeglichenen CO2 - Bilanz, um die wir alle und weltweit
ringen, ist allgemein bekannt. Wachsende Bäume und stehender Wald
speichern in ihrer Biomasse das Klimagas Kohlendioxid. Doch Wald speichert
auch große Mengen an Regenwasser, im lockeren, durchwurzelten
Boden und im dichten, blatt- und nadelreichen, 30 Meter dicken Kronendach.
Wie ein gigantischer Schwamm nimmt ein gesunder Wald sehr viel Wasser
auf und gibt es nur sehr langsam ans Grundwasser ab. Ein Puffer für
katastrophale Starkregen, eine wirksame Hangbefestigung gegen Lawinen
und Erosion.
Äcker, aber vor allem brach liegende Flächen und befestigte
Anlagen wie Parkplätze oder Straßen bewirken das Gegenteil.
Wandelt man eine Waldfläche in einen Parkplatz um, so fließt
nach Niederschlägen in kürzester Zeit die 10- bis 100-fache
Wassermenge ab. Je weniger saugfähig die Oberfläche ist, desto schneller stürzt das Wasser zu Tal.
Ein deutliches Beispiel hierfür sind die rasend schnell herannahenden Flutwellen in Wadis, den langen Trockentälern in der Wüste. Regnet es irgendwo in weiter Entfernung, kann ein Aufenthalt im schlagartig sehr wasserreichen Trockental lebensgefährlich werden. Zu biblischer Zeit machten sich antike Kulturen diesen Effekt zu Nutzen und begründeten mitten in der Wüste Farmen, deren Wasserbedarf aus dem schnell ablaufenden Regenwasser der umliegenden Hänge gedeckt wurde (Bild oben, Wüstenfarm Avdat, nach Regen füllen sich die Bewässerungskanäle). Man wollte hier möglichst glatte, vegetationsfreie Hänge, die das Wasser nicht aufsaugten, um das gesamte Regenwasser von Quadratkilometern in die kleinen Felder im Tal einzuspeisen. Trotz der insgesamt geringen Regenmenge von jährlich spärlichen 50 bis 100 Litern je Quadratmeter enstehen dabei eindrucksvolle Ströme. Man nennt dieses erfolgreiche System Runoff-farming, Abfluß-Landwirtschaft.
Wir brauchen in unserem Klima das umgekehrte System: Wälder gegen
Wasserabfluss!
Die natürlichen Rückhalteflächen
Bevor die schmutzigen Fluten die großen Flüsse und Ströme
erreichen, in denen sie nur noch durch hohe Deiche vom Eindringen in
Städte und Dörfer abgehalten werden können, bevor weite
Landstriche mit verseuchtem Schlammwasser geflutet werden müssen,
um den größten Druck und die höchste Welle zu mildern,
sollte bereits etwas anderes geschehen sein. Am Oberlauf der großen
Ströme, ob Rhein, Donau oder Elbe, überall in den Mittelgebirgen,
wo die vielen kleinen Bäche entspringen, muss das Regenwasser gebremst
oder aufgehalten werden. Dass hier natürliche Flussläufe,
ohne Kanalisierung, dafür mit Überlaufzonen aus natürlichen
Wiesen, Buschland oder Wald von Nöten sind, ist längst bekannt.
Wenn diese Flusstäler geflutet werden, bewirkt dies keine Verseuchung
des Bodens. Wenn rings um diese Bäche und kleinen Flüsse an
den Hängen intakte Wälder stünden, könnten selbst
so außergewöhnliche Niederschlagsmengen wie die jetzt erlebten
nicht solch verheerende Folgen haben.
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