Fett ist nicht gleich Fett

Von Stefanie Goldscheider

Von Fetten, Ölen, Fettsäuren und Cholesterin

"Low fat" oder wovon werden wir dick?

Viele Beleibte essen sich nie richtig satt. Womöglich frühstücken sie noch nicht einmal. Wahrscheinlich essen sie fettreduzierte Milchprodukte, Diät-Käse und Diät-Wurst sowie Salat mit Dressing aber ohne Öl. Selbst adipositöse Menschen essen oft erstaunlich wenig - ein paar Kekse gegen den Hunger, Limonade gegen den Durst.

Ist fettreiches Essen, wie die meisten denken, wirklich die Ursache von Übergewicht und Adipositas?

Wer ist eigentlich schlank?

Historisch und aktuell gibt es unzählige Beispiele von Menschen, die fettreich essen und dabei schlank sind.

Ganz Ostasien brät seine täglichen Mahlzeiten im schwimmenden Öl - im Wok und in der Pfanne. In Indien verwendet man ausgiebig Ghee - Buttereinfett beziehungsweise Butterschmalz. Völker aus kargen Gegenden ohne Ackerbau essen viel Schaf- und Hammelfleisch und verwenden Rindertalg. Manche trinken ihren Tee mit Butter! Auf den Inseln und Archipelen des Südostpazifik aß und isst man Kokosöl satt - jeden Tag. Und die für ihren hohen Gesundheitswert berühmte traditionelle Kreta-Diät besteht aus Tellern und Schüsseln mit Gemüse, das in Olivenöl schwimmt, als Beilage zum fetten Lammfleisch. Solange die Menschen so gegessen haben, waren sie schlank und hatten keine ernährungsbedingten Zivilisationskrankheiten.

Verfälschte Wahrheit über das Abnehmen

Adipositös, mit hohem Cholesterinspiegel, Diabetes und Arteriosklerose sind jedenfalls andere, darunter auch Menschen, die auf Kalorien achten und ölige Speisen meiden. Das ist bestimmt ungerecht aber leider die logische Konsequenz aus einer falschen Grundannahme und einer zu stark vereinfachten Informationspolitik über Jahrzehnte:

Propagiert wurde monoton die Vermeidung von Speisefetten. Wer hier eine andere Meinung äußert, legt sich mit keinem geringeren als der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) an. Der Fehler, der gemacht wurde und der sich bei uns allen über die Jahrzehnte tief verinnerlichte, ist die undifferenzierte Behauptung Fett mache fett und sein Konsum sei ungesund.

Zunächst einmal ist kurz gesagt das Gegenteil richtig: Fett ist essentiell wichtig für sehr viele Körperfunktionen. Fett ist Hauptbestandteil des Gehirns! Fett ist lebensnotwendig.

Wieso wurde Fett verteufelt?

Möglicherweise hatte alles ursprünglich mit amerikanischen Interessen zu tun und mit amerikanischen Gewohnheiten, die zwangsläufig immer nach Europa und in die Welt überschwappen.

Lobbyismus zu Gunsten
amerikanischer Konzerne
und zu Lasten von
Millionen von Bauern

Die starke Agrarlobby in den USA wollte ihre eigenen Produkte verkaufen und das waren Mais-, Soja-, Sonnenblumen-, Baumwollsaat-, Erdnuss- und Rapsöl, allesamt aus Pflanzen, die für einen intensiven, großflächigen Feldbau mit teuren Maschinen und ohne Handarbeit geeignet sind.

Ins Kreuzfeuer einer angeblichen Gesundheitskampagne gerieten daraufhin fette Milchprodukte wie Butter und Käse, fettes Fleisch von Lamm und Schwein und auch tropische Fette wie etwa das Kokosfett, das in seiner Herstellung viel Handarbeit erfordert. Alles keine typisch amerikanischen Produkte sondern meist Erzeugnisse von Bauern in Familienbetrieben. Man verteufelte die fettreiche Nahrung der anderen bis jeder glaubte, dass Fett dick und obendrein krank mache. Dabei sind Milchfett und Kokosöl mit hohen Anteilen der sogenannten mittelkettigen Fettsäuren (MCT) besonders gut bekömmlich und leicht verdaulich.

Die Zeit der low-fat Lebensmittel war gekommen. Die angeblich so gesunden, weil aus magerem Rindfleisch gemachten Burger erlebten weltweiten Aufschung und verdrängten überall das einheimische Essen. Schweine wurden immer magerer gezüchtet und immer krankheitsanfälliger. Margarine, ein hoch verarbeitetes Industrieprodukt, wurde "fettreduziert" international zum Verkaufsschlager.

Vom Pflanzenöl zum Fettersatzstoff, gehärteten Fett und Trans-Fett

Aus den im Prinzip hochwertigen Ölpflanzen wurde in industrieller Ölpressung und Ölextraktion billiges Pflanzenöl hergestellt. Daraus konnte man unzählige Produkte kreieren, die mit dem natürlichen, Lebensmittel, einem schonend gepressten, nativen Pflanzenöl, nur noch wenig gemein hatten.

Die Öle wurden raffiniert, das heißt, ihre meist gesunden sekundären Inhaltsstoffe, darunter Geschmacks- und Geruchsstoffe wurden entfernt. Alles sollte neutral schmecken, denn Fette wanderten von nun an auch in Lebensmittel, denen man es nicht anmerkte. Besonders in Back- und Süßwaren, Fertiggerichten und Tütensuppen dienen die Fette als Geschmacksträger.

Die Öle wurden gehärtet, um hoch erhitzbare und lange haltbare Fette fürs Frittieren der Burger mit Pommes zu erhalten. Bei der industriellen Fetthärtung entstehen aber auch die gesundheitlich sehr bedenklichen Trans-Fettsäuren, die nachweislich den Cholesterinspiegel des schlechten LDL-Cholesterin erhöhen. Schließlich wurden zum Einsatz in lowfat- und light-Produkten auch noch die sogenannten Fettersatzstoffe im Chemielabor erfunden. Es gibt sie mit verschiedenen Funktionen und aus verschiedenene Ausgangssubstanzen.

Die gesundheitlichen Wirkungen und auch die Wirkung als Hilfe beim Abnehmen sind sehr umstritten.

Low-Fat Produkte

Übergewicht,
Diabetes und
Arteriosklerose
mit Low-Fat-
Produkten

Das Vortäuschen der Konsistenz und des Geschmacks von Fett durch Fettersatzstoffe (und Zucker durch Süßungsmittel) scheint den Apettit des Körpers darauf anzuheizen. Jedenfalls bewirkten die unzähligen fettreduzierten, kalorienarmen, zuckerfreien und sonstigen light- oder Diät-Produkte keine Gewichtsreduzierung der übergewichtigen Massen. Noch immer nehmen Adipositas, Diabetes- und Arteriosklerose zu und sind längst zu einem massiven und politischen Gesundheits- und Kostenproblem geworden.

Auf der Strecke bleibt die Gesundheit

Doch damit nicht genug: Fettleibige genauso wie magersüchtige Menschen sind häufig unterversorgt, was Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente und sekundäre Pflanzenstoffe angeht, denn in hoch verarbeiteten lowfat- oder Diät-Lebensmitteln sind diese meist weniger enthalten als in Normalkost.

 

Fettlösliche Vitamine,
Kalzium-Haushalt,
Anti-Aging, Hormone,
Membranen, die
gesamte Regulation,
das Immunsystem,
Gehirn und Nerven
funktionieren
nur mit Fett

Bei stark reduzierter Fettaufnahme geraten die fettlöslichen Vitamine A, Vitamin D, Vitamin E und Vitamin K genauso wie Karotin in Mangel. Der Verzicht auf fette Lebensmittel wie Käse oder Nüsse führt obendrein leicht zu einer Kalzium-Unterversorgung.

Kalzium wird mit Hilfe des Vitamin D und Hormonen in die Knochen eingebaut. Der Hormonhaushalt hängt vollkommen vom körpereigenen Fett- bzw. Cholesterinhaushalt ab. Kalzium-, Vitamin D- und Fettmangel können also die Entstehung von Osteoporose begünstigen, ausgelöst durch fettarme Ernährung.

Fett für Körper und Geist

Vitamin E und Karotin sind als wirksame Anti-Aging Mittel und Radikalfänger bekannt, denen unter anderem in der Prävention verschiedener Krebsarten eine großer Bedeutung zukommt. Sie fehlen im Essen ohne Öl. Auch das krebshemmende Lycopin wirkt zusammen mit Fett besser.

Fette sind unverzichtbar für den gesamten Hormonhaushalt, für alle Membranen im Körper sowie für die Nerven und unser großes Gehirn. Nicht zuletzt und völlig zu Recht galten und gelten Nüsse schon immer als Hirn-Nahrung - nur wenige andere Produkte sind so fett wie Nüsse. Die wertvollen mehrfach ungesättigten Omega-Fettsäuren (Linolsäure und Linolensäure) sind gegen Hautkrankheiten, aber auch gegen Rheuma und koronare Herzkrankheiten medizinisch im Einsatz. Laurinsäure, eine gesättigte Fettsäure aus Milch und Kokosöl ist antimikrobiell wirksam. Die einfach ungesättigte Ölsäure, die besonders reichlich in Raps- und Olivenöl vorkommt, zeigt sich mehr und mehr als universell gesundes Fett. Deswegen wird der Ölsäureanteil auch im Sonnenblumenöl züchterisch erhöht (high oleic = HO). Der hohe Vitamin E Gehalt und die krebshemmenden Phytosterole aus Arganöl und anderen naturbelassenen Pflanzenölen wecken Hoffnungen. Und wem nützt mageres Fischfilet, wo man Fisch wegen der überaus gesunden Omega-3-Fettsäuren essen sollte?

Insgesamt wird die Liste der durch bestimmte Fettsäuren und sekundäre Inhaltsstoffe aus Pflanzenölen behandelbaren Krankheiten und Symptome immer länger. Das zeigt die Forschung.

Genügend gewichtige (oder auch fette) Gründe um sich die Fette und ihrer Wirkungen genauer anzusehen.



Lesen Sie über wertvolle Pflanzenöle:

Arganöl
Cashewnüsse
Chia-Saat
Hanföl
CBD-Öl
Kokosöl
Nachtkerzenöl
Olivenöl
Sanddornöl
Schwarzkümmelöl
Traubenkernöl

Buchtipps

Mehr Fett! Warum wir mehr Fett brauchen um gesund und schlank zu sein.
Liebeserklärung an einen zu Unrecht verteufelten Nährstoff

Ulrike Gonder, Nicolai Worm
Systemed Verlag, Lünen 2010, 218 Seiten, zahlreiche Tabellen; 19,95 €

Mehr zum Buch

Buch bei Amazon bestellen Lexikon der pflanzlichen Fette und Öle
Kirst, Buchbauer, Klausberger
Springer, Wien, New York, 2008, 527 Seiten, 65 Abbildungen, Hardcover, € 59,95

mehr zum Buch