2. Weinbau

Von Stefanie Goldscheider

Vitis vinifera

Botanik und Ökologie der Weinrebe

Botanisch betrachtet ist die Weinrebe Vitis vinifera eine ausdauernde Kletterpflanze, also eine Liane. Vitis vinifera entstammt den Auwäldern des Rheintals!

Weinreben besitzen große religöse und mythologische Bedeutung. Die Menschen beeindruckt wohl das jährliche wiederkehrende, rasche Wachstum der glänzenden Blätter und der langen Triebe mit Ranken sowie die Ausreife der gehaltvollen Weintrauben. Die ausdauernden Teile der Pflanze, die harten Wintern und anhaltender Sommerdürre jahrzehntelang trotzen, der verholzende, knorrige Rebstock (Bild links) und die effektiven, tief reichenden Wurzeln machen die Rebe zu einer bewunderten Kulturpflanze. Tatsächlich können einzelne Pfahlwurzeln noch in 10 bis 20 m Tiefe an Wasser gelangen. Es gibt vielerorts 80 Jahre alte oder noch ältere Reben, die Trauben für Wein produzieren. Das verzweigte Wurzelsystem der Weinrebe nimmt bestimmte Nährstoffe mit Hilfe einer Symbiose mit sogenannten Mykorrhiza-Pilzen auf und trägt zur Genügsamkeit des Rebstocks bei. Diese Genügsamkeit und die gute Anpassung der Reben an arme Böden und Trockenheit stehen im krassen Kontrast zur üblichen Produktionsweise mit chemisch-synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln. Die Methoden des biologischen Weinbaus hingegen bauen auf die ökologischen Vorzüge von Reben.

Rebsorten und Rebenarten

Weinreben gibt es überall in der nördlichen Hemisphäre. Man unterscheidet ungefähr 65 Wildformen der Gattung Vitis, die wertvolle Eigenschaften hinsichtlich Krankheitsresistenzen und ökologischer Anpassungsfähigkeit an Dürre, Frost oder bestimmte Bodenverhältnisse wie Salz- oder Kalkgehalt besitzen. So können Weinreben auf den meisten Böden erfolgreich kultiviert werden. Bestimmte Rebsorten reagieren sehr stark auf ihren Standort, so dass man in einem guten Wein diese Bodenunterschiede teilweise schmecken kann.

Unsere heutigen Weinsorten sind Produkte Jahrtausende langer Züchtung und Auslese. Manche Rebsorten haben sich weltweit durchgesetzt, andere sind in ihren Ursprungsregionen geblieben und dort heute als sogenannte autochthone Rebsorten für den unverwechselbaren Charakter der Landschaft und ihrer Weine prägend. Die einstmals weitverbreitete wilde Weinrebe Vitis vinifera ist selten geworden, jedoch werden heute 300 bis 500 Sorten von Kulturreben mit vielschichtigen Geschmacksnoten und unterschiedlichem Aroma und Bukett angebaut.


Rebe und Reblaus oder die Erfindung des biologischen Pflanzenschutzes

Europäische Weinreben wurde ab Mitte des 19. Jahrhunderts von einem Schädling aus der neuen Welt befallen, der mit amerikanischen Reben (2) eingeschleppt wurde und zwar mit der Reblaus (3). Dieses Insekt vernichtete ganze Weinberge und mit ihnen zahlreiche Rebsorten für immer. Man konnte den Schädling nach intensiven Versuchen auf elegante Weise in Schach halten und erfand dabei die erste planmäßige, biologische Schädlingsbekämpfungsmethode in der Geschichte. Amerikanerreben (2) waren wegen ihrer langen gemeinsamen Entwicklung mit der Reblaus gegen Reblausbefall resistent. Man verwendete Amerikanerreben in Europa nun als Wurzeln. Die edeleren europäischen Rebsorten wurden als Edelreiser (4) auf die Wurzelunterlage aufgepfropft. Seit 1880 werden die meisten Weinberge in Europa mit Pfropfreben bepflanzt. Pfropfreben vereinen in einer Pflanze aus Unterlage (5) und Edelreis die Qualitätseigenschaften der Früchte europäischer Reben mit möglichst großer Vitalität der amerikanischen Reben. Seit der Entdeckung der Reblaus gibt es eine gesonderte Sortenzüchtung für Unterlagsreben (5).


Maßnahmen im biologischen Weinbau

Auch zwei weitere gefährliche Rebenkrankheiten kamen mit neuen Rebsorten aus Amerika. Der Echte Mehltau Oidium und der Falsche Mehltau Peronospora. Echter und Falscher Mehltau sind Pilzkrankheiten und befallen Blätter und Früchte. Ihre Bekämpfung erfolgt im konventionellen Weinbau durch das Spritzen mit chemisch-synthetischen Fungiziden. Echter und Falscher Mehltau sind insbesondere in gedüngten und bewässerten großflächigen Weinbergen, also in Monokulturen ein ernstes Problem. Hier steigt der Krankheitsdruck. Je kleiner parzelliert der Anbau, je humusreicher der Boden und je vielfältiger und reichhaltiger andere Pflanzen zur Begrünung des Bodens, als Nützlingshecken oder zur direkten Nutzung vorhanden sind, desto stabiler ist die Pflanzengesundheit. Im biologischen Weinbau wird durch Mischulturen, die Behandlung mit pflanzlichen Brühen und nur im Notfall durch Spritzungen mit Schwefel beziehungsweise Kupfer Krankheiten wie den Mehltaupilzen vorgebeugt. Gegen Pilzkrankheiten gibt es mit der Pflanzenzüchtung aber auch elegante biologische Verfahren. Es werden gezielt pilzresitente vitale Wildarten in unser Rebsortiment eingekreuzt. Biowinzer und innovative, umweltbewusste Kollegen bepflanzen ihre Weinberge deswegen häufig mit sogenannten Piwis - pilzwiderstandsfähigen neuen Rebsorten. Die sehr ansprechende Rotweinsorte Regent von der Bundesforschungsanstalt Geilweilerhof ist ein Beispiel dafür.

Bioweinbau

Bei den Richtlinien für den biologischen Weinbau wird besonderes Gewicht auf die Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit gelegt. Dies geschieht durch die Anpflanzung von Leguminosen zwischen den Reben und durch Humuswirtschaft und Kompostierung. Bewässerung und Bodenbearbeitung sollen unterbleiben. Die Förderung der Biodiversität, die Ansiedlung von Nützlingen in einer reichen Natur sollen durch die Pflanzung von Hecken und Bäumen in jedem Weinberg und durch ökologische Ausgleichsflächen gelingen. Hotspots der Biodiversität und Korridore zwischen anderen Naturlebensräumen sollen von Bienen, anderen Insekten und Wildtieren als Lebensraum mitten im Weinberg genutzt werden und zur Verbreitung dienen.

Weinberge und Erziehungsformen

WeinterrassenDie Vielfalt der Weinbauregionen, ihrer Böden, Klimate und Rebsorten brachte in den heute ungefähr 20 wichtigsten Weinbauländern der Welt die unterschiedlichsten Formen der Rebenerziehung hervor. Die Erziehungsmaßnahmen, also die Wuchsform, das Alter und der Schnitt des Weinstocks beeinflussen neben dem Boden mit seinen besonderen Eigenschaften, der Verfügbarkeit an Wasser, der Sonneneinstrahlung, der Reife der Beeren und dem Weinausbau sehr stark die Qualität des Weines. Im terrassierten Anbau wird die Bearbeitung, insbesondere mit Vollernten wesentlich einfacher. Werden die Terrassen sehr groß und eben und maschinengängig, leidet darunter allerdings oft die Weinqualität.

Rebenböden und Weinklima

Viele Weinberge sind steile, karge und sehr sonnige Hänge, mit denen Reben gut zurecht kommen. Reben gedeihen auf sauren und basischen, mineralstoff- und humusarmen, steinigen, leichten und schweren, Granit-, Sandstein-, Kreide-, Kalk-, Schiefer- und Urgesteinsböden. Allgemein gilt, dass auf armen Standorten geringere Erträge angestrebt werden sollen um bessere Qualitäten zu erzeugen. Es ist nämlich ein Irrglauben, dass Sonnenschein allein einen guten Wein macht. Leidet die Rebe unter extremer Trockenheit, können die Beeren nicht richtig ausreifen und es fehlen dem Wein die fruchtigen Säuren aber auch andere geschmacksgebende Inhaltsstoffe, was sich auch in geringen Extraktgehalten (6) niederschlägt.

In Wüstenklimaten wie beispielsweise in Argentinien ist ein bewässerter Weinbau deswegen üblich. Ertragbegrenzung ist aber ganz besonders in sonnenarmen Regionen und Klimaten mit kurzer Vegetationszeit (Bild rechts) notwendig um bessere Qualitäten zu erzeugen.

Rebschnitt und Erziehungsformen

Rebanlagen wurden und werden oft ausschließlich nach ökonomischen und arbeitswirtschaftlichen Kriterien angepflanzt. Die Reihen können mit Spezialtraktoren befahren werden. Schnitt, Pflanzenschutzmaßnahmen und Ernte sind dann maschinell durchführbar. Dabei steht die Ertragshöhe im Vodergrund. Unreife, kranke oder verdorbene Trauben können nicht getrennt werden, weswegen chemischer Pflanzenschutz bei dieser Anbaumethode unverzichtbar ist. Die Weine werden einheitlich aber auch charakterlos.

Spalier oder Gobelet

Für die Weinqualität ist hingegen die optimale Belichtung der Blätter, die Durchlüftung des Bestandes sowie eine, je nach Standortbedingungen und Sorte, reduzierte Ertragshöhe wichtig. Dazu eignet sich die Erziehung an Spalieren (Bild rechts), bei denen Pflanzabstand, Anzahl der Triebe, Wuchshöhe und Zahl der Trauben beeinflusst werden können. Der Rebschnitt ist die wichtigste Maßnahme im Weinbau und muss sehr konsequent erfolgen.

In sehr trockenen, heißen Regionen am Mittelmeer hat sich eine sehr kompakte, strauchförmige Erziehungsform bewährt (fr. gobelet), die ganz ohne Spalier, Pfahl oder Draht auskommt. Wachsen die Reben in Südeuropa ohne zusätzliche Bewässerung, so lässt man ihnen nur wenige, kurze Triebe und wenig Blattmasse um Wasser zu sparen und trotz widriger Wuchsbedingungen extraktreiche (6) Weine zu produzieren.

Das Terroir

Der Boden, der Weinberg, der Rebschnitt, das Kleinklima und auch die Ernte entscheiden mit über den typischen - im Idealfall unverwechselbaren - Geschmack des Weines, der sich im Terroir (7) widerspiegelt.



Buchtipps

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